Lernende Organisation in einem Unternehmen des Maschinenbaus

„Da haben wir Shopfloor Management eingeführt und die Hardware funktioniert ja auch. Aber die Software nicht.“  – Sprich: Rollenverständnis, Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit entsprachen nicht den Anforderungen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, dem sich das Unternehmen verschrieben hat.

Ob ich da etwas tun könne…Mit dieser Frage wandte sich ein Werksleiter im Maschinenbau bei einer Veranstaltung an mich.

Der Prozess, der dann begann, war typisch für viele unserer Projekte in der Organisationsentwicklung. Im Mittelpunkt stand die Lernende Organisation.

Von vorneherein war klar: Dieses hochkomplexe Thema bedarf des Fingerspitzengefühls, sorgfältiger Kommunikation und der Einbindung der Beteiligten. Auch wenn nicht alle Elemente einer lernenden Organisation gleichzeitig und überall eingeführt werden können, weil dies zur Überlastung der Organisation führen würde, muss von Anfang an der ganzheitliche Blick gesichert werden. Wir schufen ein „Big Picture“, das die Lernende Organisation in den Gesamtzusammenhang des Unternehmens und des Zielprozesses stellt und die Leistungsziele mit den Entwicklungszielen verknüpft. Die Integration der Personalentwicklungsinstrumente ist ein essentieller Bestandteil der lernenden Organisation genauso wie das entsprechende Führungsverständnis. Auf dieser Grundlage begannen wir zu arbeiten. Die Lernende Organisation wurde selbst zum Lernprozess.

Der Einstieg begann mit der genaueren Betrachtung von Kommunikation und Zusammenarbeit. Wie können wir voneinander lernen, Ziele vermitteln und bereichsübergreifend die kontinuierliche Verbesserung vorantreiben? Wie werden Rollen geklärt und gelebt?

Methodenvielfalt bei der Gestaltung der Lernprozesse

In der Verbindung von Top-Down- und Buttom-up-Ansatz führten Workshops und Interviews mit Führungskräften schnell zur Formulierung von Handlungsfeldern und zu konkret formulierten Lernzielen. Das allein war noch keine Lernende Organisation. Doch bald konnten verschiedene Lernprozesse systematisch miteinander integriert werden:

  • Kontinuierlicher Verbesserungsprozess auf Basis von Führen mit Zielzuständen
  • Rollenentwicklung in Querschnittsfeldern wie Qualitätssicherung, Logistik, Technologie, Disposition u.ä.
  • Führungskräftecoaching

Wichtigste methodische Prinzipien und Komponenten sind

  • Aufbau der Lernarchitektur mit der Verknüpfung verschiedener Lernfelder und –methoden, Einbindung des individuellen und praktischen Umfelds und kontinuierliche Verstetigung des Lernens sowie der Praxisverankerung des Gelernten
  • enge Verknüpfung des Lernens in der Sach- und Prozessebene mit der Verhaltensebene, festgehalten in konkreten Lernzielen
  • Einbettung von Prinzipien der Toyota-KATA und von Führen mit Zielzuständen
  • Ausbildung der Führungskräfte als Coach
  • Rollenentwicklung der Mitarbeiter in Querschnittsfunktionen mit lateraler Führungsfunktion
  • Coaching von Führungskräften im Arbeitszusammenhang als Führungsteam
  • kontinuierliche, kurzzyklische Prozessbegleitung im Tagesgeschäft
  • Feedback als Grundprinzip in Kommunikation und Zusammenarbeit
  • Just-in-time Learning in Verbindung mit Coachingtandems und KATA-Lerngruppen
  • regelmäßige Reviews auf persönlicher und Teamebene
  • Einbettung von Lernen und Reflexion in reale Projekte, Regelkommunikation und Prozessverbesserungen
  • durchgängige Strukturen, Prozessbeschreibungen, Leitfäden und Dokumentation

Die ersten Schritte in die Lernende Organisation tragen Früchte

Der erste, prototypische Lernzyklus machte bald eindrucksvoll deutlich, wieviel Energie freigesetzt wird, wenn sich die Entwicklung praxisverbunden vollzieht und die persönliche Ebene angesprochen wird. Trotz hoher Inanspruchnahme durch das Tagesgeschäft wurden regelmäßige Coachings durchgeführt und konkrete Verbesserungen eingeführt. Spürbare Veränderungen im Verhalten wurden sichtbar, wie z. B.

  • die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle,
  • aktives Einbinden anderer bei Problemlösungen,
  • gute Vorbereitung und Kommunikation als Basis für persönliche und Prozesssicherheit u.v.a.m.

In den Review-Workshops wurde ich regelrecht überrascht davon, wie viele der „soft Faktoren“ in der sehr technisch geprägten Umgebung und „Macherkultur“  bereits in dieser ersten Runde verstanden und verinnerlicht wurde.

Schöne „Nebeneffekte“ entstanden in der Erweiterung von Standards in der Projektarbeit und im Informationsfluss.

Im Prozessverlauf entwickelte sich eine Landkarte der Lernenden Organisation, die Themen, Zusammenhänge und Lernformen visualisierte und der Vernetzung und dem Erfahrungsaustausch diente. Geplant ist die verstärkte Einbindung des Wikis als Medium für das Wissensmanagement. Erkenntnisse und Fortschritte des Prozesses fanden Platz in Stehungen und Arbeitsberatungen. Zunehmend wurde die Verknüpfung mit den Personalinstrumenten und dem Talent Management vorangetrieben.

Mit kontinuierlicher Prozessbegleitung zur stabilen Lernkultur

Nach zweieinhalb Jahren kann folgendes Fazit gezogen werden: Verschiedene Lernformen und die Integration des Lernens in den Alltag sind zur Selbstverständlichkeit für Führungskräfte und viele der Mitarbeiter geworden. Es besteht eine fest verankerte Lern- und Verbesserungskultur. Sie bedarf weiterhin der „Kümmerer“ und durchläuft Höhen und Tiefen, wird aber nicht mehr angezweifelt und muss keine grundlegenden Widerstände mehr überwinden. Einzelne methodische Elemente werden selbstverständlich eingesetzt.

Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung und dem Ausrollen auf andere Unternehmensbereiche wird nun vor allem weiter gearbeitet an der Verankerung und Weiterentwicklung in einzelnen Themenbereichen und Querschnittsfunktionen sowie an der Integration mit dem gewachsenen Personalentwicklungssystem.

Erfolgsfaktoren sind sicher die grundsätzliche Offenheit der Führungskräfte und Mitarbeiter wie auch die Anschlussfähigkeit der Lernenden Organisation an die Führungsleitlinien und Unternehmensgrundsätze sowie die Eckpunkte des Shop Floor Managements. Dazu kamen bereitgestellte Kapazitäten, das Zusammenspiel und der Umsetzungswille der Führungskräfte einschließlich der Geschäftsführung sowie die ununterbrochene Umsetzung und Überprüfung in der Praxis, das iterative Vorgehen und die schnelle Rückkopplung von Erfahrungen und Lernerfolgen.